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Drei Wege nach Nikostria

Auszug aus einem Pilgerbüchlein über die drei Wege nach Nikostria:

Der Reisende nähert sich der Stadt Nikostria auf einer von drei Straßen: Von Kroisos kommend, aus südöstlicher Richtung; von Diptyche kommend, aus südwestlicher Richtung; oder von Palabrion kommend, aus westlicher Richtung.

Aus Richtung Diptyche erblickt man bereits von ferne eine mächtige Zitadelle aus grauen Quadern. Näherkommend erkennt man einen siebenseitigen Festungsbau mit gedrungenen Türmen, der auf einer felsigen Erhebung erbaut ist. Die steil aufragende Anhöhe ist von einer Zinnenmauer bekränzt, welche ein großes palastartiges Gebäude zu Füßen der Zitadelle umfängt. An den Burgberg schließen weiße Mauern an, die bald als Befestigung einer Stadt erkennbar werden. Die Kalksteinmauern sind von schmalen, roten Bändern aus Ziegelsteinen durchzogen, die ihnen ein markantes Aussehen verleihen. In gleichmäßigen Abständen sind rechteckige Wehrtürme an die Stadtmauer gebaut. Hinter der Mauer ragen das rote Pyramidendach und der Glockenturm eines großen Tempels empor. Mit einem Mal öffnet sich die Landschaft und der Blick schweift über ein grünes Flusstal, dessen Hänge mit Rebstöcken bepflanzt sind. Der Fluss bildet hier eine Schleife, in der sich die Häuser einer Vorstadt befinden, welche zusätzlich von einer niedrigen Mauer umgeben ist. Erst dahinter erheben sich die rotgestreiften Kalksteinmauern der Altstadt, die wir schon von weitem sahen. Rechts zweigt nun ein Weg ab, der entlang einer Reihe von Anwesen direkt hinauf zum Burgberg führt. Wir aber folgen der Straße hinunter zum Fluss, vorbei an den Grabhäusern einer am Hang erbauten Nekropole. Am Tor zur Vorstadt jenseits der Brücke tun zwei stattliche Wachen Dienst, deren einheimische Kleidung nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass es sich bei ihnen um albische Söldner handelt. Ihre roten Gesichter und der Akzent haben sie verraten. Sie kontrollieren die Warentransporte und winken uns durch in die Vorstadt.

Von Kroisos kommend schaut der Reisende auf einer Anhöhe links der Straße als erstes Gebäude eine Burg aus hellem Sandstein. Von weitem mag der Ortsunkundige dieses Kastell zunächst für die Akaropolios halten, die Stadtfestung, doch handelt es sich vielmehr um eine Ordensburg der Thassaidonier, der Schwertbrüder des Heiligen Thassaidon, die man in nächster Nähe der Stadt errichtet hat. Dahinter taucht nun aber der Burgberg von Nikostria mit der fünftürmigen Zitadelle auf. Man gelangt an eine Wegkreuzung in deren Mitte sich ein Schrein des Hl. Thassaidon befindet. Wir danken dem Schutzheiligen der Pilger und Reisenden mit einem Gebet für die glückliche Ankunft und wenden uns dann nach rechts. Die Straße führt jetzt zwischen Stauden und Obstbäumen in einem Bogen hinunter zum Fluss. Nachdem wir eine von einer Brücke überspannte Felsenkluft passiert haben, liegt der Fluss vor uns und dahinter die Stadtmauern. Die Euphrosyne teilt sich hier in zwei Arme, die eine langgestreckte, dicht mit Schilf bewachsene Insel umfließen, um sich hernach wieder zu vereinen und die Engstelle zwischen Akaropolios und Thassaidonsberg über mehrere Katarakte zu passieren. Auf einem Damm führt die Straße über jene sumpfige Insel, wo wir vom Quaken der Frösche begrüßt werden. Vorbei an einem Schrein der Hl. Eudokia gelangen wir endlich über eine weitere Brücke zum östlichen Stadttor, an dem uns die albischen Wachen empfangen.

Von Palabrion kommend verläuft die Straße im sanften Tal der mäandernden Euphrosyne zwischen Wiesen, Feldern, Weinbergen und Obsthainen. Das erste Gebäude, welches man von Nikostria erblickt, ist das Mausoleum des mythischen Helden Leandros, welches man oberhalb eines Weinbergs hoch über dem Fluss errichtet hat. Dann erst sieht man die ausgedehnte Vorstadt, doch wird der Blick bald zum Akaropoliosberg mit den herrschaftlichen Gebäuden gelenkt. Die Straße führt vorbei an einem großen, von einer hölzernen Absperrung begrenzten Rasenplatz, wo die Nikostrianer an Festtagen dem Tzykanionspiel frönen. An einer Abzweigung wenden wir uns nach links, denn wir wollen die Stadt von Norden her betreten. Zur Rechten hat man einen Kanal gegraben, der die Flussschleife durchsticht und so der Vorstadt zusätzlichen Schutz bietet. Unmittelbar links der Straße beginnen die steilen mit Reben bepflanzten Hänge des Leandrosbergs, den auch ein gewundener Weg hinauf führt. Wo der Befestigungskanal wieder in den Fluss mündet führt die Straße nun geradewegs zum sogenannten Händlerviertel, welches nur von einer niedrigen Zollmauer umgeben ist. Eine Dornenhecke begrenzt hier ein Feld, das Karabanion, auf dem die Fernhändler ihre Wagenzüge aufstellen. Zur Linken befindet sich ein großer Gasthof, wo man uns schon bemerkt hat und dessen herbeigeeilte Sklaven uns zum Einkehren bewegen wollen.

 

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